Buchempfehlung: Lize Spit: Ich bin nicht da

Ein Buch mit dem Titel „Ich Bin Nicht Da“ von Lize Spit mit weißem Einband und grünem Text, darauf die Silhouette einer gehenden Person in Lila.

In Liz Spitz spannendem Roman „Ich bin nicht da“ wird aus der Perspektive einer Ich-Erzählerin beschrieben, wie eine psychische Erkrankung zuerst ihren Partner und zunehmend auch die gemeinsame Beziehung grundlegend verändert.

Leo und Simon leben seit 10 Jahren zusammen. In ihrer kleinen Welt haben sie eine eigene Sprache, intime Rituale und Liebesbeweise entwickelt und fühlen sich miteinander so sicher, wie sonst mit keinem anderen Menschen. Simon arbeitet in einer angesagten Werbeagentur als Grafiker. Leo hat audiovisuelle Kommunikation studiert, jobbt bis zum erhofften Durchbruch jedoch als Verkäuferin in einem Laden für Schwangerschaftsmode.

Das eingespielte Leben ändert sich von Grund auf, als Simon von einem Tag auf den anderen seinen geliebten Job kündigt, wie auf Drogen Tage und Nächte durcharbeitet, um die Vision einer eigenen Firma zu verwirklichen. Er beginnt, Unmengen von Geld für überflüssige Dinge auszugeben. Zunehmend entwickelt er merkwürdige Verhaltensweisen, fühlt sich verfolgt und bespitzelt. Einen Freund und Kollegen hält er plötzlich für seinen schlimmster Feind, der ihm seine kreativen Gedanken stiehlt.

Leo beobachtet die Veränderung zunächst mit mildem Verständnis, zunehmend mit Befremden und schließlich mit diffusen wie realen Ängsten. Doch sich jemandem anzuvertrauen, oder Hilfe zu suchen kommt für sie nicht in Frage. Erst als die Situation eskaliert, lässt sie Simon in die Psychiatrie einweisen.

Nach außen hin führt Leo ihr gewohntes Leben weiter. Sie besucht ihren Partner täglich in der Klinik und tut alles, um ihn zurück ins Leben zu holen. Doch innerlich distanziert sie sich immer weiter, ohne sich lösen zu können. Als ihr eine Kolumne in einem Magazin angeboten wird, beginnt sie mit großem Erfolg, unter Pseudonym, ihre Realität mit der Welt zu teilen. Doch ewig kann es so nicht weitergehen…

 
Ein abstraktes Gemälde in Blautönen mit Wirbeln und Pinselstrichen, die ein Gefühl von Bewegung und Tiefe erzeugen.

Lize Spit ist es in diesem Buch gelungen zu beschreiben, wie sich eine bipolare Störung mit psychotischen Symptomen innerhalb kürzester Zeit entwickeln und einen Menschen völlig aus der Bahn werfen kann. Die Stärke dieses Buches ergibt sich meiner Meinung nach aus der Vielschichtigkeit, die in der Beschreibung ihrer Charaktere und deren Beziehung steckt. Denn auch wenn Simon augenscheinlich das größere Problem hat, wird deutlich, dass sich die Situation wie beschrieben zuspitzt, weil beide Protagonisten unbewältigte Kindheitstraumata mit sich herumschleppen.

Erschienen ist das Buch 2022 im Fischer Verlag. ISBN: 978-3-10-397124-8


Hintergrundwissen: ICD10 und Bipolare Störungen
Die ICD 10 ist das Klassifikationssystem der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zur Beschreibung von Krankheiten. Der Buchstaben- und Zahlencode, an dem sich erkennen lässt, in welchem Bereich eine Erkrankung angesiedelt ist, wurde kürzlich überarbeitet und wird demnächst durch die ICD 11 ersetzt. Einige Codierungen werden sich dadurch verändern, bzw. neue Krankheitsbilder werden aufgenommen. 

Psychische Erkrankungen werden derzeit im Bereich F0-F9 codiert.
Die im Buch angesprochene Bipolare affektive Störung mit psychotischen Symptomen hat z.B. die Ziffer F31.2. Da bipolare Störungen in ihrer Ausprägung wechseln (hypomanisch, manisch, depressiv oder gemischt, mit oder ohne psychotischen Symptomen) wird immer die aktuelle Situation codiert. „Bipolar“ bedeutet, dass die Stimmung zwischen zwei entgegengesetzten Polen schwankt. 

Zu Beginn des Romans, als Simon lediglich extrem aufgekratzt und schlaflos an seiner Selbstständigkeit arbeitet und unnötige Dinge kauft, hätte die Codierung F30.1 gelautet. In der Phase, die im Buch mit kompletter Interessenlosigkeit und fehlendem Antrieb beschrieben wird, wäre eine Depression codiert worden. Je nach Schweregrad mit den Ziffern F32.0, F32.1 oder F32.3. Bei allen affektiven Störungen unterscheidet man zwischen leichten, mittleren und schweren Ausprägungen.

Eine Manie kann sich innerhalb von einer Woche ankündigen. Oft wird sie mit einer sogenannten Hypomanie eingeleitet, wobei Stimmung und Antrieb zunächst einmal leicht gehoben sind, sich dann zunehmend verstärken. Starke Antriebssteigerung bis hin zur Hyperaktivität, Schlafstörungen, inadäquat gehobene Stimmung, Denkbeschleunigung, Selbstüberschätzung und Distanzlosigkeit gelten als Leitsymptome einer Manie. 

Ist eine Psychose damit verbunden, kommen Symptome wie Größenwahn, Verfolgungswahn oder Halluzinationen hinzu. Der Gegenpool einer Bipolaren Störung ist die Depression. Leitsymptome einer depressiven Phase sind laut ICD 10 Interessenverlust, Stimmungsverlust, Antriebsverlust und – im Falle einer mittleren bis schweren Depression- Suizidalität. Der Schweregrad einer Depression ergibt sich aus dem Vorhandensein weiterer Symptome, die in unterschiedlicher Ausprägung auftreten können. Die beschriebenen Krankheitsbilder müssen von einem Psychiater diagnostiziert und behandelt werden.